Exzellente Forschung und gesellschaftliche Verantwortung – wie passt das zusammen, Workshop, BMBF-Symposium 2023

Aus HochN-Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche

Die Erforschung komplexer und häufig globaler Probleme erfordert ganzheitliche Herangehensweisen und Rückkopplungen an gesellschaftliche Diskurse. Im Workshop soll diskutiert werden, wie Freiheit und gesellschaftliche Verantwortung von Forschung vereinbar sind, was dies für den Exzellenzbegriff bedeutet, wie Rahmenbedingungen des Wissenschaftssystems verändert und die Motivation der Forschenden erhöht werden können, damit exzellente und zugleich verantwortungsvolle Forschung gelingen kann. Vorgesehen ist ein kurzer fachlicher Input und Diskussionen in Kleingruppen.

Exzellente Forschung und gesellschaftliche Verantwortung – wie passt das zusammen, Workshop, BMBF-Symposium 2023
Datum 2023-06-07
Workshop Nummer 6
Workshopleitung Jürgen Kopfmüller, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse am Karlsruher Institut für Technologie & Moritz Maikämper, Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft
Themenschwerpunkte Gesellschaftliche Auswirkungen, Forschung, Außeruniversitäre Forschungsorganisationen
Dateien BMBF Symp 2023 Praesentationsfolien LeNa SHAPE.pdf

Hintergrund und zentrale Fragestellungen

Forschung zur Unterstützung der erforderlichen gesellschaftlichen Transformationen in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung muss sich mit zunehmend komplexen und globalen und zugleich möglichst rasche Lösungsansätze verlangenden Frage- und Problemstellungen beschäftigen. Diese Forschung erfordert daher sowohl ganzheitliche Herangehensweisen als auch Rückkopplungen an gesellschaftliche Diskurse. Im Workshop wurden Fragen im Zusammenhang mit den Gelingensbedingungen für „Forschen in gesellschaftlicher Verantwortung“ diskutiert: Wie verhalten sich Freiheit und gesellschaftliche Verantwortung von Forschung zueinander? Was bedeutet dies für den die Definition und Messung von Qualität bzw. Exzellenz von Forschung sowie ihrer Wirkung? Welche Rahmenbedingungen des Wissenschaftssystems müssten wie verändert werden? Wie können Motivation und Befähigung der Forschenden gesteigert werden, damit exzellente und zugleich verantwortungsvolle Forschung gelingen kann?

Ablauf und Inhalte

  • Einführung in den Workshop
  • Impuls-Vortrag zum Projekt LeNa Shape: „Forschen in gesellschaftlicher Verantwortung. Gestaltung, Wirkungsanalyse, Qualitätssicherung“
  • Ca. 60 min. Diskussion in vier Kleingruppen zu vorgegebenen Thesen zu vier unterschiedlichen Themenfeldern
  • Kurze Vorstellung der Ergebnisse der Kleingruppen-Diskussion im Workshop-Plenum
  • Kurze Vorstellung anstehender Aktivitäten im Projekt bis zum Ende der Laufzeit

Kernpunkte aus den Impulsvorträgen

  • Begründung der Relevanz von „Forschen in gesellschaftlicher Verantwortung“
  • Was genau bedeutet „Forschen in gesellschaftlicher Verantwortung“?
  • Beschreibung der Gelingensbedingungen dieser Art zu forschen
  • Diskussion von Überlegungen, was dies für den Begriff der Exzellenz von Forschung bedeutet

Kernpunkte aus der Diskussion im Workshopplenum

Ergebnisse aus den 4 Arbeitsgruppen
Gruppe 1: wissenschaftsethische Grundlagen

Pinnwand: Diskussionspunkte wissenschaftsethische Grundlagen, Workshop 6, BMBF-Symposium 2023
  • Die Teilnehmenden stimmen der These zu, dass die Beurteilung von Forschungsqualität über herkömmliche quantitative, akademische und disziplinäre Kriterien hinausgehen und auf den Forschungsprozess bezogene Kriterien gesellschaftlicher Verantwortung berücksichtigen muss.
  • Verantwortung ist als relationaler Begriff (Wer? Wofür? Auf Basis welcher Werte und Normen?) zu verstehen. Er muss und kann akteursgruppenbezogen spezifiziert werden: zum einen hinsichtlich Individuen, Organisationseinheiten (z. B. Forschungs-AGs), Institutionen, zum andere hinsichtlich Statusgruppen (Promovierende, Post-Docs, AG-Leitung, Institutsleitung, …).
  • Verantwortung und die Möglichkeit der Wahrnehmung von Verantwortung spielen sich u. a. in einem Wechselverhältnis/Spannungsfeld von rechtlichen Rahmenbedingungen und ethischer Reflexion ab.
  • Verantwortung muss den gesamten Forschungsprozess (Theorien, Hypothesen, Planung, Umsetzung, Auswertung, Folgen) reflektieren.
  • Ethische Reflexion in Forschung und Lehre muss auf allen Ebenen der Karriere ermöglicht, implementiert und praktiziert werden; letztlich ist praktizierte Verantwortungswahrnehmung Teil eines erforderlichen Kulturwandels in der Wissenschaft.
  • Die Teilnehmenden stimmen der These zu, dass mit der Umsetzung von gesellschaftlicher Verantwortung in der Forschung ein verstärktes Risiko von Konflikten mit anderen forschungspolitischen Zielen/Leitbildern (Effizienz, Effektivität, Wettbewerbsfähigkeit) einhergeht, was entsprechend veränderte Rahmenbedingungen erfordert – und differenzieren sie aus:
    • „Ökonomisierung“ betrifft eine spezifische Verzwecklichung und Zweckrationalisierung von Forschung, die kritisch zu sehen ist. Dazu gehört u.a. die ‚Projektitis‘, die Arbeitsbedingungen wie auch Forschungsthemen und -zugänge maßgeblich bestimmt.
    • Ökonomisch richtig verstanden wäre es besser, die Internalisierung externer Kosten von Forschung systematisch zu erheben und zu benennen und bereits bei der Planung einzubeziehen, was Teil der Wahrnehmung von Verantwortung ist.

Gruppe 2: Qualität / Exzellenz von Forschung

Pinnwand: Diskussionspunkte Qualität/Exzellenz von Forschung, Workshop 6, BMBF-Symposium 2023
  • Disziplinen strukturieren nicht nur die Forschung, sondern auch umgekehrt der Forschungsprozess die Disziplinen.
  • Es sind mehr Gutachtende mit Kompetenz und Erfahrung in transdisziplinärer Forschung notwendig, wenn Transdisziplinarität Teil der Förderkriterien ist.
  • Viele Impulse kommen nicht nur aus der Gesellschaft, sondern entwickeln sich auch aus der Forschung heraus. Auch dabei hilft ein weiterentwickeltes Leitbild der Exzellenz, weil es Akteure in der Wissenschaft besser legitimiert, derartige Impulse als Teil der Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verantwortung in der Wissenschaft zu erarbeiten.
  • Klassische quantitative Kriterien sind bei Ausschreibungen und Gutachtenden immer noch dominant, Änderungen nur in kleinen Schritten möglich, da ihnen traditionell verfestigte Strukturen entgegenstehen. Mit welchen Schritten am besten begonnen wird, ist situations- und kontextabhängig.
  • Die Akzeptanz der LeNa-Kriterien bei den Forschenden ist wichtig, aber noch nicht als Standard eingeführt. Bei der Kommunikation der Kriterien ist darauf zu achten, dass sie zur Reflexion dienen, aber nicht eine strikte Checkliste dafür darstellen, was in der Forschung erfüllt sein muss, um gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen.

Gruppe 3: Wirkung von Forschung

Pinnwand: Diskussionspunkte Wirkung von Forschung, Workshop 6, BMBF-Symposium 2023
  • Diskutiert wurde zunächst die These, dass gesellschaftliche Wirkung ein wichtiges Kriterium für exzellente Forschung darstellt, jedoch den Forschungsaufwand erhöht, ggf. zu Lasten der Output-Effizienz (gemessen z. B. an der Zahl von Publikationen pro Forschungsaufwand).
  • Output, Outcome und Wirkung von Forschung müssen neu und stärker systemisch definiert werden.
  • Gesellschaftliche Wirkung sollte als mögliches und gewünschtes, nicht aber als notwendiges Kriterium für exzellente Forschung gesehen werden.
  • Gesellschaftliche Wirkung kann auch nicht-intendierter ‚Beifang‘ von Forschung im Sinne einer Transintentionalität sein.
  • Wirkungsorientierte Forschung muss nicht per se ‚langsam‘ sein.
  • Die Reflexion über Wirkungen und die diesbezügliche Sensibilisierung bei den Akteuren stellt bereits einen wichtigen Schritt dar.
  • Des Weiteren wurde die These diskutiert, dass gesellschaftliche Wirkungsorientierung im Fördersystem belohnt und als Evaluationskriterium eingeführt werden muss. Diese Belohnung sollte auf allen Organisationsebenen erfolgen.
  • Die Berücksichtigung des Genderthemas als Förderkriterium ist ein gutes Beispiel für die Wichtigkeit, Wirkungsorientierung ebenfalls als Förderkriterium aufzunehmen.
  • Auch die Publikationsorgane (insbesondere wissenschaftliche Journale) sollten den Aspekt Wirkung als Kriterium für die Annahme einer Publikation aufnehmen.
  • Die Spezifik verschiedener Forschungsfelder ist stets zu berücksichtigen.

Gruppe 4: Motivation und Befähigung der Forschenden

Pinnwand: Diskussionspunkte Motivationund Befähigung von Forchenden, Workshop 6, BMBF-Symposium 2023
  • Grundsätzliche Zustimmung gab es zu der These: Weil Forschen in gesellschaftlicher Verantwortung (FigV) Mehraufwand bedeutet, muss diese Art zu forschen in Programmen und Ausschreibungen systematisch gefordert und gefördert werden.
  • Die konkrete Umsetzung ist jedoch zu diskutieren und mitunter kontrovers.
  • Das Argument des Mehraufwands von FigV ist zu relativieren, da er nur eine Ursache unter mehreren ist, die den Forschungsaufwand generell steigen lassen.
  • Kontrovers wurde diskutiert, ob die gezielte Adressierung des Wertewandels bei jüngeren Menschen durch die Betonung der Bedeutung von FigV für die Nachwuchsgewinnung einen Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt bringen könnte.
  • Könnte ein verpflichtendes Commitment (etwa analog zum hippokratischen Eid) für FigV gefordert werden? Wie wäre so etwas umsetzbar?
  • Ebenfalls diskutiert wurde die These, dass Forschen in gesellschaftlicher Verantwortung oftmals keinen erkennbaren Nutzen für die eigene (akademische) Karriere bringt, sie vielfach sogar behindert.
  • Erforderlich ist hier eine Differenzierung z. B. nach Karrierephasen: Für schon profilierte Akademiker*innen kann es auch einen Nutzen bedeuten; daraus folgt, dass entsprechende Angebote nicht nur für Nachwuchswissenschaftler*innen, sondern auch für den Senior-Level notwendig sind.
  • Die Forderung nach mehr Bewusstsein und Sensibilisierung für FigV muss durch entsprechende Angebote an die Forschenden bzw. in der Ausbildung an Hochschulen begleitet werden.
  • Zusätzlich zu adressierende Stakeholder, um den Nutzen von FigV zu steigern und erkennbarer zu machen, sind: Berufungskommissionen und deren Auswahlkriterien (bislang kommen hier hauptsächlich ‚klassische‘ Exzellenzkriterien zur Anwendung), größere Forschungsgruppen und deren Leitungen.

Weiterführende Fragestellungen der Diskussion

  • Welche Elemente einer Veränderung in Richtung einer Stärkung gesellschaftlicher Verantwortung in der Forschung können/sollten unabhängig von Kontexten (Disziplinen, Forschungstypen, ...) umgesetzt werden, welche sind als eher kontextabhängig einzustufen?
  • Wie können die Ergebnisse des Workshops und des Projekts LeNa Shape insgesamt in das Wissenschaftssystem (Förder- und Evaluationsrichtlinien, Curricula, etc.) einfließen?
  • Wie können wesentliche offen gebliebene Fragen nach Beendigung des Projekts LeNa Shape angemessen weiterbearbeitet werden?

Weiterführende Informationen

Präsentationsfolien LeNa SHAPE

Cookies helfen uns bei der Bereitstellung von HochN-Wiki. Durch die Nutzung von HochN-Wiki erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies speichern.