HOCH-N:Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre

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In diesem Artikel werden die Spezifika von Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre dargestellt. Zuerst wird die Verbindung von Nachhaltigkeitstransfer mit dem Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) erläutert und anschließend die Operationalisierung der Merkmale von Nachhaltigkeitstransfer im Handlungsfeld Lehre vorgenommen. Die Übersichtsmatrix ermöglicht abschließend eine schnelle Orientierung, welche Themen und Aufgaben in welchen Phasen relevant sind und kann als ein erster Ansatzpunkt für die Entwicklung oder Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre dienen.

Nachhaltigkeitstransfer und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)

Beim Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre werden Praxisakteur*innen in Lernprozesse zu Nachhaltigkeit eingebunden. Als Bezugsrahmen für die didaktische Konzeption kann BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung) herangezogen werden. BNE bezieht sich explizit auf gesellschaftliche Herausforderungen und knüpft damit an die Relevanz- und Erfolgskriterien gesellschaftlicher Akteur*innen an, was auch für Nachhaltigkeitstransfer von Bedeutung ist. Ziel von BNE ist, Lernende zur Gestaltung nachhaltiger Entwicklung und einer sozial-ökologischen Transformation der Gesellschaft zu befähigen. Die dazu notwendigen Kernkompetenzen umfassen die Fähigkeit, systemisch, strategisch, wertorientiert und zukunftsorientiert zu denken, interpersonale und intrapersonale Kompetenz sowie Handlungs- bzw. Anwendungsfähigkeit (Brundiers et al. 2020). Mithilfe der verschiedenen Prinzipien von BNE – Nachhaltigkeitsthemen, Didaktik, Lernziele, gesellschaftliche Transformation – lassen sich Lerninhalte, -prozesse und -ziele beschreiben und Lehr-Lern-Konzepte entwickeln. Nachhaltigkeitstransfer kann als Lernort im Sinne „situierten Lernens“ gestaltet werden. Im Sinne von BNE wird der Lernprozess von den Lernenden mit gestaltet, und fordert die Studierenden gerade durch den Praxisbezug heraus (Singer-Brodowski 2016). Die Lehr-Lernumgebungen sollen dabei einen Orts- und lebensweltlichen Bezug haben und thematisch auf Nachhaltigkeit bezogen sein (Bellina et al. 2018). Insgesamt kann sich Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre an den Merkmalen einer BNE (nach Molitor 2018) orientieren:

  • Werden aktuelle und relevante Nachhaltigkeitsthemen behandelt?
  • Wird der Lernprozess kompetenzorientiert gestaltet? Welche Kompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung werden durch den Lernprozess gefördert?
  • Wie sind die Partizipationsmöglichkeiten der Beteiligten in Bezug auf Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Mitwirkung im Lernprozess ausgeprägt?
  • Wird ein Whole Institution Approach verfolgt oder gefördert?

Lesetipp

  • HOCHN-Handreichung Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre. Zur Umsetzung von Praxis-Hochschul-Kooperationen im Hochschulalltag (Nölting, Benjamin; Fritz, Hilke; Seichter, Cosima Zita; unter Mitarbeit von Nadine Dembski, Kerstin Kräusche, Kerstin Lehmann, Heike Molitor, Jens Pape, Alexander Pfriem, Heike Walk (2021). BMBF-Projekt “Nachhaltigkeit an Hochschulen: entwickeln - vernetzen - berichten (HOCHN)”, Eberswalde: Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.)
  • Transfer stärkt Lehre. Wie Nachhaltigkeitstransfer Hochschullehre inspirieren kann. (HOCHN Diskussionspapier der HNE Eberswalde; Nr. 01) https://www.hochn.uni-hamburg.de/-downloads/handlungsfelder/transfer/diskussionspapier-transfer-staerkt-lehre-2018-04.pdf
  • HOCHN-Leitfaden „Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) in der Hochschullehre (Betaversion)“. https://www.hochn.uni-hamburg.de/-downloads/handlungsfelder/lehre/hoch-n-leitfaden-bne-in-der-hochschullehre.pdf


Beispiel Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre: Studentisches Projekt „Das Hermann Scheer Haus mit Leben füllen – Roadmap zu einem neuen Nutzungskonzept für das Zentrum für Erneuerbare Energien“

Im Masterstudiengang Regionalentwicklung und Naturschutz (M.Sc.) an der HNE Eberswalde wird im dritten Semester das Pflichtmodul „Projektarbeit und ganzheitliche Projektgestaltung“ (12 ECTS) durchgeführt. Die Studierenden bearbeiten in Gruppen von vier bis sechs Personen eine Aufgabe zur nachhaltigen Regionalentwicklung, die aus der Praxis gestellt wird.

Im konkreten Projektbeispiel haben vier Studierende im Wintersemester 2017/18 für das nicht mehr als Ausstellungsfläche genutzt Gebäude des Zentrums für erneuerbare Energien Hermann Scheer in Eberswalde Ideen entwickelt, wie die Räume wieder mit Leben gefüllt werden können. Transferpartner war der erste Vorsitzende E.I.C.H.E. e. V. als Träger des Zentrums für erneuerbare Energien. Die Arbeit im Modul wurde vom Modulverantwortlichen sowie von einem Projektbetreuer der HNE Eberswalde betreut.

Ziel des Projekts war die Entwicklung eines neuen Nutzungskonzeptes für das Zentrum, wobei der ursprüngliche Nutzungszweck des Gebäudes von einer Ausstellungsfläche für die Nutzung erneuerbaren Energien hin zu einer regionalen Kommunikationsplattform für den Klimaschutz weiterentwickelt wurde. Im Zuge der Projektbearbeitung wurden mögliche Entwicklungswege für das Herman-Scheer-Haus unter Beteiligung des Vereins und regionaler Akteur*innenn diskutiert. In dieser Zusammenarbeit stellte sich heraus, dass die Ausgestaltung des neuen Nutzungszwecks „Kommunikationszentrum für den Klimaschutz“ nur unter aktiver Beteiligung regionaler Klimaschutzinitiativen funktionieren kann. Entsprechend wurde im Projekt der Kern eines Netzwerks für die Kommunikationsplattform aufgebaut und ein erstes Netzwerkmanagement für die weitere Koordinierung sowie ein Steuerungsgremium mit Klimaschutzmanager*innen aus der Region eingesetzt. Die Netzwerkkontakte wurden an die Auftraggeber*innen zur weiteren Entwicklung des Zentrums übergeben.

Umsetzung von Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre

Nachfolgend werden die Transferakteur*innen, die Phasen und die Querschnittsaufgaben im Handlungsfeld Lehre erläutert.

Als Transferakteur*innen bei Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre sind Studierende, Praxispartner*innen und Lehrende in den Lehr-Lern-Prozess mit unterschiedlichen Rollen involviert. Sie bringen ihre jeweiligen Kompetenzen und Interessen ein, so dass alle Beteiligten von diesem Austausch profitieren können:

Studierende bringen ihr aktuelles wissenschaftliches Fach- und Methodenwissen aus ihrem Studium sowie ihr Interesse an gesellschaftlichen Problemen und Fragen nachhaltiger Entwicklung ein und können dieses praktisch anwenden. Mit ihren Ideen, ihrem Engagement und den unterschiedlichen lebensweltlichen Bezügen können sie zur Bearbeitung der Fragen beitragen. Umgekehrt profitieren Studierende von Nachhaltigkeitstransfer, indem sie ihr Wissen in realen Kontexten anwenden. Bei der Suche nach praxisrelevanten Lösungen sind sie vielseitig gefordert. Auf diese Weise entwickeln und trainieren sie Kernkompetenzen und erfahren Selbstwirksamkeit, was die Lernmotivation steigert. Nicht zuletzt erhalten sie Einblicke in die Vielfalt der Berufswelt und ein Feedback zu ihrem Können aus der Praxis, was die berufliche Orientierung unterstützt.

Praxispartner*innen formulieren konkrete Aufgaben und Problemstellungen aus ihrem Berufsfeld und ihrer Lebenswelt. Sie stellen Informationen, praktische Erfahrungen und berufliche Expertise als Hintergrundwissen für die Bearbeitung der Fragen in der Lehre zur Verfügung und geben ihre Einschätzung zur Umsetzbarkeit und Nützlichkeit von Ergebnissen. Nicht zuletzt bringen sie ihren Gestaltungswillen für nachhaltige Lösungen und ihr Interesse an einer Umsetzung und Erprobung von entwickelten Lösungen ein. Dafür können sie eigene Ressourcen wie Geld, Entscheidungsmacht und Zeit einsetzen. Im Gegenzug erhalten sie kostengünstig Ideen, Vorschläge für Problemlösungen, aber auch Fragen von Studierenden. Sie erhalten einen niedrigschwelligen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen einschließlich einer Qualitätssicherung durch die Lehrenden, was insbesondere für kleine Non-Profit-Organisationen und Unternehmen sehr hilfreich sein kann. Im Rahmen der Auftragsklärung und Problembearbeitung können sie die eigenen (Nachhaltigkeits-)Ziele und Prioritäten schärfen und mithilfe einer externen Sicht kritisch reflektieren.

Lehrende haben insgesamt die Verantwortung für den Lernprozess und schaffen einen passenden Rahmen für die Beteiligten. Dabei fungieren sie als Prozessbegleitung und als Lerncoach. Sie „übersetzen“ zwischen Studierenden und Praxispartner*innen. Sie sorgen gegenüber der Praxis für eine Qualitätssicherung und gegenüber den Studierenden für den Erwerb der Studien- und Prüfungsleistungen. Übergreifend können sie die Reflexion des Lernprozesses bei allen Beteiligten anleiten. Der Nutzen für die Lehrenden liegt in einer Verbesserung der Lehre aufgrund der Kompetenzorientierung und der höheren Motivation der Studierenden. Fachlich profitieren sie von vertieften Einsichten in praktische, gesellschaftliche Problemlagen, insbesondere in Bezug auf Voraussetzungen und Schwierigkeiten bei der Anwendung wissenschaftlichen Wissens. Weiterhin profitieren sie vom Innovationspotenzial, von Fragen und Anregungen von Studierenden und Praxispartner*innen und erhalten wertvolle Anregungen für Lehre und Forschung.

Phasen von Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre

1.Phase: Initiierung und Identifizierung der Transferakteur*innen

Zu Beginn liegt die Herausforderung darin, Thema und Praxispartner*innen für eine Transferaktivität zu identifizieren. Lehrenden kommt in der Initiierungsphase eine besondere Rolle zu, denn sie sind für das Lehrangebot verantwortlich und können aufgrund ihrer Position Transferprozesse auch längerfristig planen und vorbereiten. Je nach Ausstattung und Erfahrung kann bei der Initiierung auch eine Transferstelle unterstützen. Als Ausgangspunkt bietet sich die Themenauswahl aufgrund des fachlichen Bezugs und der thematischen Ausrichtung der Studiengänge und Lehrveranstaltungen an. Eine Herausforderung besteht darin, die „richtigen“ Partner*innen zu finden. In einem (möglichst persönlichen) Austausch sollte ausgelotet werden, wie groß ihre Übereinstimmungen in Bezug auf den angestrebten Transfer sind. Es ist wichtig, dass die beteiligen Transferakteur*innen auch bezüglich Interessen, Kommunikation und Erfolgskriterien ausreichend große Schnittmengen aufweisen und Vertrauen für einen gemeinsamen Lernprozess aufbauen. Ein wesentlicher Schritt in dieser Phase ist die gemeinsame Beschreibung und Einordnung des Themas vor dem Hintergrund nachhaltiger Entwicklung.

2. Phase: Konzeption von Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre

In dieser Phase werden die gemeinsamen Projekt- und Lernziele ausgehandelt und formuliert. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit den Nachhaltigkeitszielen und der angestrebten Nachhaltigkeitswirkung. Parallel dazu können die Beteiligten auch gruppenspezifische und individuelle Lernziele verfolgen. Die Lernziele sollten explizit gemacht werden, damit der angestrebte Lernprozess nachvollziehbar und nach wissenschaftlichen Maßstäben kritisierbar ist. Ausgehend von diesen gemeinsamen Lernzielen kann dann ein Lernprogramm oder Lehr-Lern-Konzept entsprechend der BNE-Prinzipien mit einem besonderem Fokus auf die Förderung der Kernkompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung entwickelt werden. Dieses wird im nächsten Schritt methodisch operationalisiert, wobei die besondere Lernsituation mit Praxisakteur*innen berücksichtigt werden sollte. Dafür kommt eine Fülle an Methoden in Betracht, z.B. Fallstudien, Projektarbeiten, Praktika, Planung, Umsetzung und Auswertung von Interventionen, forschendes Lernen, problemorientiertes Lernen, selbstorganisiertes Lernen, Lernforen etc. (Kompetenzzentrum Nachhaltige Universität 2018). Schließlich sollten für die Umsetzung Arbeitsschritte, ein Zeitplan und Verantwortlichkeiten festgelegt werden. Auch die Rollen der beteiligten Gruppen in den verschiedenen Lern- und Arbeitsschritten sind zu klären. Diese können durchaus unterschiedlich sein, so können beispielsweise Studierende auch die Rolle von Ideengeber*innen oder Lehrenden übernehmen, wenn es um die Entwicklung von Lösungsansätzen oder den Transfer von aktuellem, wissenschaftlichen Wissen an die Praxisakteur*innen geht.

3. Phase: Umsetzung der Transferaktivität im Lernprozess

In der Umsetzungsphase steht der gemeinsame Lern- und Entwicklungsprozess im Mittelpunkt. Bei Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre werden Theorie und Praxis miteinander verknüpft und wissenschaftliche Methoden und Theorien auf Fragen aus der Praxis angewandt. Das umfasst beispielsweise:

  • die Anwendung von Handbuchwissen und Methoden in einem Praxiskontext,
  • die Analyse praktischer Probleme mithilfe wissenschaftlicher Ansätze,
  • die wissensbasierte Entwicklung von Lösungsansätzen und Ideen für Praxisprobleme oder
  • die praktische Erprobung solcher Lösungsansätze und die Auswertung der Anwendungserfahrungen.

Ausgehend von der Problembeschreibung bringen die Transferakteur*innen ihr wissenschaftliches Wissen, Fachexpertise, Erfahrungswissen und Kreativität ein. Gerade aus der Perspektivenvielfalt und den unterschiedlichen Lösungsansätzen im Repertoire der Beteiligten können neue Ansätze als Neukombination und Verschmelzung verschiedener Ideen und Konzepte entstehen. Das Zusammentragen verschiedener Optionen und deren Auswahl erfordert einen Abwägungs- und Bewertungsprozess, wobei sowohl die Umsetzbarkeit als auch die Wirkung berücksichtigt werden. Mit der Aushandlung zwischen den Beteiligten werden mögliche Schwächen, Widerstände oder Hemmnisse aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet, wodurch blinde Flecken und unerwünschte Nebenfolgen aus Sicht nachhaltiger Entwicklung in den Blick genommen werden. Dieses Vorgehen macht die Anwendung und Lösungsansätze „robuster“.

Stimme Transferexpert*in: „Also so wie wir das ja auch beschrieben haben, dass sich Lehrende, Studierende und Praxisakteure gemeinsam mit Problemen in der Lehre befassen und versuchen, es durch den Austausch ihres bestehenden Wissens zu lösen, da muss man ja nicht unbedingt neues Wissen durch Forschung generieren, sondern sich austauschen über das Wissen, das man hat, und das Wissen anwenden, damit ein Lerneffekt bei allen drei Gruppen zustande kommt.“ (Expertin 07)

4. Phase: Ergebnissicherung und Dokumentation im Lehr-Lern-Prozess

Die formale Ergebnissicherung besteht i.d.R. in der Prüfungsleistung der Studierenden. In kompetenzorientierten Prüfungsformaten können Fragen und Aufgabenstellungen an Erfordernissen der Praxis ausgerichtet werden, die Prüfungsleistung selbst wird dann nach wissenschaftlichen Kriterien bewertet. Die Ergebnisse sollten so aufbereitet werden, dass sie für die Zwecke der unterschiedlichen Transferakteurinnen nutzbar sind im günstigsten Fall wird die Prüfungsleistung gleichzeitig für die Dokumentation und Aufbereitung der Ergebnisse für die Praxis genutzt.

Der Erwerb von Kompetenz als die Verbindung von Wissen, Haltung und Fähigkeiten oder auch von Kopf, Herz und Hand wird häufig nicht explizit formuliert. Deshalb ist es wichtig, den Lernprozess mit den verschiedenen Facetten für alle Beteiligten in geeigneter Form zu dokumentieren. Eine Dokumentation kann die (möglichst kontinuierliche) Evaluation und Reflexion des Lernprozesses unterstützen, die durch die Lehrenden angeleitet wird. Hierbei ist zu beachten, dass es sich um einen Lern- und Bildungsprozess handelt, bei dem auch Fehler, Irrtümer und Sackgassen möglich sein müssen und sogar erwünscht sind, um Alternativen auszuloten und Lösungen, Arbeitsprozess und Lernergebnis zu reflektieren. Gerade aus Fehlschlägen können die Beteiligten lernen, wobei sich jedoch ein Spannungsfeld auftun kann, weil die Praxispartner*innen ein Interesse an einer konkreten Problemlösung und erst in zweiter Linie an einem Lernerfolg haben.

Querschnittsaufgabe Prozessmanagement

Die Lernprozesse bei Nachhaltigkeitstransfer sind offener, für die Beteiligten schwieriger zu kalkulieren und in der Regel mit größerem (zeitlichen) Aufwand für Studierende und Lehrende verbunden als bei Lehre, die im Wesentlichen auf kognitive Wissensvermittlung ausgerichtet ist. Deshalb sind sie mitunter nicht ganz reibungslos in Curricula sowie in Studien- und Prüfungsordnungen zu integrieren und erfordern ein Prozessmanagement. Die Hauptverantwortung hierfür liegt bei den Lehrenden.

  • Eine Aufgabe ist es, den Praxispartner*innen, die sich auf einen tendenziell ertragreichen, aber riskanten Lernprozess mit offenem Ausgang einlassen, die Sicherheit zu geben, dass ein Mindestmaß an Qualität und Lernerfolg erreicht werden kann. Eine weitere Herausforderung besteht darin, einen selbstorganisierten, selbstbestimmten und ergebnisoffenen Lernprozess in einer heterogenen Akteursstruktur zu ermöglichen und diesen in den strukturellen Rahmen von Studiengängen, Prüfungsordnungen, Modulen und ECTS-Leistungspunkten der Hochschule einzupassen. Um in diesem Spannungsfeld zu navigieren, müssen die Umsetzungsbedingungen entlang der strukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen sorgfältig geprüft werden. Die externen Strukturbedingungen stecken grob Möglichkeiten und Grenzen von Nachhaltigkeitstransfer ab, schlagen aber eher selten unmittelbar auf konkrete Transferaktivitäten durch. Im Gegensatz dazu beeinflussen die organisatorischen Bedingungen an der jeweiligen Hochschule die Gestaltungsmöglichkeiten in beträchtlichem Maße.
  • Bezüglich der formellen Regelungen sind Curricula, Prüfungsordnungen und Regelungen für Praktika relevant. Da die Lernprozesse bei Nachhaltigkeitstransfer recht aufwändig sein können, können zeitliche Flexibilität und Spielräume bei den Prüfungsformaten hilfreich sein. Es sollten in diesem Rahmen Möglichkeiten gefunden werden, die Konsequenz von „Erfolg“ oder „Scheitern“ von Transferaktivitäten und -projekten in der Lehre so zu gestalten, dass den Studierenden auch bei einem „Scheitern“ die Lehrveranstaltung anerkannt wird. Wenn z.B. keine Lösung gefunden wird, einzelne Schritte nicht zu einem (gewünschten) Ergebnis führen oder die Kooperation sogar abgebrochen wird, können die Studierenden für diese Form des Gelingens oder Scheiterns nicht verantwortlich gemacht werden. Der Prüfungserfolg darf deshalb nicht daran festgemacht werden. Deshalb sollte die Dokumentation des Prozesses und dessen Reflexion neben den Ergebnissen als Prüfungsleistung bewertet werden.
  • In Bezug auf Hochschul-Governance können konkrete Ziele für Nachhaltigkeitstransfer sowie Hochschulstrategien für Transfer, nachhaltige Entwicklung, BNE etc. unterstützend für die Transferaktivitäten in der Lehre wirken.
  • Bei den Unterstützungsstrukturen sollte geprüft werden, ob Zeit, Lehrkapazität, Räume, Finanzmittel für Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre bereitgestellt und die Transferakteur*innen von der Hochschule durch Transferstellen, Nachhaltigkeitsbeauftragte, hochschuldidaktische Einrichtungen etc. unterstützt werden können. Da Nachhaltigkeitstransfer mit einigem Aufwand verbunden sein kann, könnten zusätzliche Mittel bereitgestellt werden z.B. für Fahrt- und Materialkosten oder studentische Mitarbeiter*innen. Ressourcen können auch explizit an Studierende und Praxispartner*innen vergeben werden.
  • Ein Schnittstellenmanagement für Nachhaltigkeitstransfer könnte die Kontaktanbahnung zwischen Hochschule und Praxis unterstützen. Wobei v.a. für kleinste und kleine regionale Unternehmen und Non-Profit-Organisationen Informations-, Such- und Anbahnungsformate notwendig sind, um studentisches Lernen und Praxispartner*innen miteinander zu verknüpfen. Ein solches Schnittstellenmanagement kann Studierenden, Lehrenden und Praxisakteur*innen gleichermaßen als Anlaufstelle und Informationsplattform dienen. Es könnte den Beteiligten Ressourcen zur Verfügung stellen, um deren Mehraufwand abzupuffern oder von sich aus aktiv die Vernetzung vorantreiben. Hier wären thematische, fächer- und studiengangsbezogene, räumliche und nach Branchen und gesellschaftlichen Handlungsfeldern sortierte Verknüpfungen denkbar. Ein Schnittstellenmanagement könnte auch Gelegenheiten für den Austausch und ein Kennenlernen schaffen. Die oben aufgeführten unterschiedlichen Sprachen, Lebenswelten und Erfolgslogiken der Beteiligten sollten durch ein Schnittstellenmanagement aufgegriffen und vermittelt werden. Als organisatorische Kompetenz ist weiterhin Prozess- und Netzwerkmanagement hilfreich. Ein Aspekt dabei ist eine Kultur des Erfahrungsaustauschs zwischen den Transferbeteiligten.
  • Wissenskommunikation kann die Suche nach Praxispartner*innen unterstützen und (gelungene) Beispiele für Nachhaltigkeitstransfer verbreiten.

Querschnittsaufgabe Reflexion des Lernprozesses

Eine kritische, systematisch angeleitete und fachlich basierte Auseinandersetzung mit den Erfahrungen, die im Lernprozess gemacht wurden, und deren Bewertung ist ein zentrales Element, um eine gemeinsame Lernerfahrung in wissenschaftliche bzw. wissenschaftsbasierte Erkenntnisse und Kompetenzentwicklung zu überführen. Auf Basis einer (selbst-)kritischen Reflexion können Auswahl- und Richtungsentscheidungen transparent gemacht und begründet werden, eine zentrale Anforderung an nachhaltige Entwicklung.

Reflexion erhöht die Qualität des Lernprozesses in den verschiedenen Phasen. Dies gilt für die Relevanz der ausgewählten Nachhaltigkeitsthemen in der Initiierungsphase, den potenziellen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung, Risiken und mögliche Nebenfolgen der entwickelten Ansätze in der Phase der Umsetzung und eine Abschätzung der tatsächlichen Nachhaltigkeitswirkung des Lernprozesses in der Phase der Ergebnissicherung. Auch Misserfolge bei einzelnen Umsetzungsschritten oder ein „Scheitern“ des gemeinsamen Vorhabens oder des geplanten Projekts sollten, möglichst mit den Praxispartner*innen zusammen, ausgewertet werden. Gerade aus solchen Erfahrungen lässt sich viel lernen. Die Reflexion kann jede Akteursgruppe für sich allein vornehmen. Anspruchsvoller, aber wahrscheinlich ertragreicher ist eine gemeinsame Auswertung der verschiedenen Phasen des Lernprozesses. Lehrende sind in erster Linie für die Anleitung der Reflexion und eine Evaluation der Lernergebnisse zuständig und können dafür wissenschaftliche Methoden einbringen. Für die Studierenden stehen die Auswertung ihrer Lernerfahrungen im Vordergrund und das Bewusstmachen der erworbenen Kompetenzen. Die Praxispartner*innen können eine Rückmeldung zu den wissensbasierten Beiträgen (Wissen, Fragen, Methoden) von Studierenden und Lehrenden geben und neue Fragen und Wissensbedarf ableiten.

Übersichtsmatrix zu Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre

Die Aufgaben bei Nachhaltigkeitstransfer lassen sich mit den strukturell-organisatorischen Rahmenbedingungen in Beziehung setzen. Mittels einer Matrix können die Punkte, die in den vier Phasen zu beachten sind, und die Querschnittsaufgaben Prozessmanagement und Reflexion übersichtlich miteinander verknüpft werden. Anhand dieser Matrix können die Nutzer*innen des Leitfadens laufende oder geplante Transferaktivitäten für einzelne Phasen analysieren: Wo stehe ich? Wo will ich hin? Welche Ziele verfolge ich mit Nachhaltigkeitstransfer? Daraus ergeben sich konkrete Ansatzpunkte für die Gestaltung, Weiterentwicklung und Verbesserungen von Nachhaltigkeitstransfer.

Mit Hilfe der Übersichtsmatrix kann Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre in seinen höchst unterschiedlichen Ausprägungen, Formaten und Komplexitätsgraden und Akteursvielfalt beschrieben werden (Tabelle 4). Sie kann als eine Heuristik genutzt werden, um Ansatzpunkte zu identifizieren, wie Nachhaltigkeitstransfer in herkömmliche Lehrkonzepte integriert bzw. ausgeweitet werden kann.

Tabelle 4: Übersichtsmatrix über Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre

Phase Inhalte, Themen, Akteur*innen Rahmenbedingungen Prozessmanagement Reflexion Checkliste mit Fragen
1. Initi-ierung
  • Identifizierung von Themen
  • Identifizierung der Transferpartner*innen
  • Rolle der Studierenden im Lernprozess klären
  • Rolle der Praxispartner*innen
  • Kontaktaufnahme: inhaltlicher Austausch
  • Gemeinsame Beschreibung des Problems und Lernbedarfs
  • Transfer-, Nachhaltigkeits-, Lehr-Strategie der Hochschule
  • Lernprozess verorten in Curriculum, Lehrplan
  • Interesse Praxis
  • Ressourcenverfügbarkeit + Anreizsysteme prüfen
  • Unterstützungsstrukturen nutzen
  • Kontaktanbahnung zwischen verschiedene Gruppen managen
  • Einbezug von Studierenden organisieren
  • Rahmen für Lehrprozess klären
  • Diskussionsrahmen schaffen: transparente Kommunikation, Vertrauensbildung
  • Nachhaltigkeitsverständnisse offenlegen und diskutieren
  • Präzisierung des Nachhaltigkeitsproblems, Klärung der Relevanz
  • Austausch über jeweilige Interessen am Nachhaltigkeitstransfer und Lernprozess
  • Klärung der inhaltlichen Schnittmenge
  • Wer ist dabei? Wer sollte dabei sein?
  • Was ist das Thema des Nachhaltigkeitstransfers? Warum ist es relevant?
  • Was wollen die Beteiligten lernen und wie?
  • Sind die gemeinsamen Interessen am Lernprozess geklärt und transparent?
  • Welche Rolle übernehmen die Studierenden im Lernprozess, welche die Praxisakteur*innen?
  • Wird das Nachhaltigkeitsproblem, -thema gemeinsam beschrieben?
2. Kon-zeption
  • Formulierung gemeinsamer und gruppenbezogener Projekt- und Lernziele
  • Lehr-Lern-Konzept entwickeln (BNE-Ansätze)
  • Didaktik, Lern-/Transferformate auswählen (z.B. forschendes Lernen)
  • Zeit- und Ressourcenplan, Verantwortlichkeiten
  • SPO und Prüfungsformate abklären
  • Zeitliche Verfügbarkeit der Beteiligten
  • Ressourcenbedarf
  • Unterstützungsstrukturen für Netzwerkmanagement und Kommunikation nutzen
  • Organisatorischen Rahmen klären (Modul, Projekt, Abschlussarbeit…)
  • Kommunikation & Moderation zwischen Beteiligten
  • Zeit- und Arbeitsaufwand für Studierende und Praxispartner*innen abschätzen
  • Raum für Reflexion schaffen
  • Ressourcen einwerben & nutzen
  • angestrebten Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung darlegen (ggfs. Wirkungslogik)
  • Aushandeln von gemeinsamen und gruppenbezogenen Lernzielen
  • Abschätzung von Risiken des Lernprozesses
  • Rollenklärung in der Gruppe
  • Worin besteht der Beitrag des Transfers zu nachhaltiger Entwicklung?
  • Haben die Beteiligten gemeinsame Ziele für den Lernprozess formuliert?
  • Können sich Beteiligte auf Lehr-Lern-Konzept und Aufgabenverteilung einigen?
  • Ist die Didaktik konzipiert (BNE)?
  • Gibt es passende Lehrformate und Ressourcen?
  • Ist ein geeigneter Rahmen für Diskussion und Reflexion geschaffen?
3. Um-setzung
  • Lernprozess: Theorie & Praxis verknüpfen bei Analyse, Ideenentwicklung
  • Gemeinsame Entwicklung von Ergebnissen, Lösungsansätzen
  • Ggfs. Test, praktische Erprobung
  • Bezug zum Forschungsstand prüfen
  • Netzwerk-, Schnittstellenmanagement der Hochschule nutzen
  • Interne Kommunikation: Moderation, ggfs. Konfliktmanagement
  • Überprüfung der Umsetzung des Lehr-Lern-Konzepts
  • Beteiligte beim Lernprozess unterstützen, Raum für Reflexion schaffen
  • Externe Kommunikation zu Nachhaltigkeitstransfer
  • Verschiedene Perspektiven, Wissen, Erfahrungen nutzen (Wechselseitigkeit, Augenhöhe)
  • Bewertung des Lernprozesses (Was lernen wir?)
  • mögliche Fehlschläge, Misserfolge auswerten
  • Wird der Lernprozess entsprechend des Lehr-Lern-Konzepts umgesetzt?
  • Können die Beteiligten ihre Kompetenzen, Wissen, Erfahrungen einbringen?
  • Bringt der Lernprozess einen Mehrwert für die Partner*innen? Worin besteht der?
4. Er-gebnis-siche-rung
  • Dokumentation, Aufbereitung der Ergebnisse aus dem Lernprozess für weitere Nutzung
  • Kompetenz- & transferorientierte Prüfungsformate & Studienleistungen
  • Evaluation und Wirkungsanalyse
  • SPO als Rahmen für kompetenzorientierte Prüfungsformate
  • Ggfs. Bescheinigung der Beteiligung, des Lernerfolgs der Praxispartner*innen
  • Prüfungsleistung für Ergebnisdokumentation nutzen
  • Wissenstransfer durch Studierende organisieren und begleiten
  • Aufbereitung von studentischen Ergebnissen für Praxispartner*innen (und ggfs. Forschung)
  • Kommunikation der Ergebnisse
  • Reflexion der individuellen Lern- und Erkenntnisprozesse
  • Auswertung des gemeinsamen Lernerfolgs und von Lücken
  • Schlussfolgerungen für weiteres Lernprozesse
  • Können die Studierenden Prüfungsleistungen erbringen?
  • Werden die Ergebnisse für die Arbeit von Praxis und Forschung gesichert und aufbereitet?
  • Gibt es eine Evaluation, Reflexion, Wirkungsanalyse des Lernprozesses? Wer ist verantwortlich?
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