HOCH-N:Die Bedeutung von Governance für hochschulische Nachhaltigkeit

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Governance: Koordination von Akteur*innen, Aktivitäten und Entscheidungen

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Gerade weil sich Hochschulen so stark voneinander unterscheiden, muss die Frage nach der Institutionalisierung einer nachhaltigen Entwicklung an jeder einzelnen Hochschule selbst beantwortet werden. Dennoch gibt es Anforderungen, die alle Hochschulen gemeinsam betreffen. Am Ende geht es darum, konkrete Maßnahmen umzusetzen, die etwa ein nachhaltiges Campusmanagement ermöglichen oder Fragen nachhaltiger Entwicklung möglichst breit in Forschung und Lehre dauerhaft verankern. Bei einem so komplexen Anliegen wie nachhaltiger Entwicklung bedarf es dafür zudem eines klaren Rahmens. So müssen verschiedene Aktivitäten untereinander abgestimmt und verbindliche Entscheidungen getroffen werden, z.B. über Ziele, Zuständigkeiten oder die Unterstützung durch unterschiedliche Akteur*innen. Die Aufgabe, diese Prozesse geordnet zu koordinieren, wird auch als „Governance“ bezeichnet.

Bücherstapel.png Einen detaillierteren Einblick in das hier zugrundeliegende Governance-Verständnis gibt dieses Arbeitspapier.

Komplexe Governance an Hochschulen

Wenn von Governance die Rede ist, werden darunter sowohl Organisationsstrukturen als auch der Verwaltungsapparat oder die Steuerung von vielschichtigen Prozessen verstanden. Governance ist also vielfältig und anspruchsvoll. Dies gilt insbesondere für die Governance komplexer Organisationen wie Hochschulen: Die Aufgaben von Hochschule reichen von der Forschung und (Aus-)Bildung über Qualitätsmanagement und Innovationstransfer bis zur Bereitstellung von wissenschaftlicher Expertise für wichtige gesellschaftliche Herausforderungen.

Hochschulen sind einerseits arbeitsteilig und dezentral organisiert: Wenngleich innerhalb der Verwaltung durchaus hierarchische Strukturen existieren, können sich insbesondere die Mitarbeiter*innen in Forschung und Lehre auf gesetzlich verbriefte akademische Freiheiten und große Entscheidungs- und Handlungsautonomie berufen. Andererseits ist eine Stärkung der Rolle der Hochschulleitung zu beobachten. Dies geschieht durch die Etablierung zentraler Organisationseinheiten wie Stabsstellen, durch die Stärkung gesamthochschulischer Prozesse, Leitbilder und -linien und es geschieht durch die Stärkung der zentralen Entscheidungsbefugnis der Präsidien gegenüber der Gremien akademischer Selbststeuerung. Hochschulen fußen zudem auf einer Vielzahl klar definierter Handlungsspielräume (Mitgliedschaft und Zugehörigkeit, Kompetenzen und Befugnisse, Verwaltungsabläufe, etc.) wie auch auf etlichen impliziten Regeln und Normen (Selbstverständnisse verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, administrative Gepflogenheiten, etc.)

Für die Governance eines Nachhaltigkeitsprozesses an Hochschulen spielen viele Statusgruppen mit sehr unterschiedlichen Kompetenzen, Perspektiven und Interessen eine Rolle. Hierzu zählen vor allem Hochschulleitungen (in Person der (Vize-)Präsident*innen oder aber der Kanzler*innen als Verwaltungschef*in), Studierende in den verschiedenen Fachbereichen, Mitarbeiter*innen in Forschung und Lehre sowie Angestellte in Verwaltung und Technik. Weil diese Akteur*innen oftmals sehr unterschiedliche Perspektiven beispielsweise darauf haben, wie drängend die Herausforderung einer nachhaltigen Entwicklung ist, welche Ziele im Einzelnen an der eigenen Hochschule mit welchen Mitteln verfolgt und umgesetzt werden können oder sollen, oder in wessen Zuständigkeit Nachhaltigkeit maßgeblich verankert sein sollte, ist die Koordination dieser Positionen eine der zentralen Governance-Aufgaben auf dem Weg einer Hochschule zu nachhaltiger Entwicklung.

Transparente Beteiligung unterschiedlicher Akteur*innen

Gemeinsames Werkeln an einer nachhaltigen Entwicklung, Design: Charlotte Hintzmann

Von welchem Ausgangspunkt aus eine Hochschule ihren Weg auch beschreitet: Wie bei jedem Veränderungsprozess ist im Zusammenhang mit der Leitidee nachhaltiger Entwicklung davon auszugehen, dass es Befürworter*innen und Unterstützer*innen ebenso wie Skeptiker*innen und Blockiereri*innen gibt. Zudem gilt, dass sich nicht einfach Beispiele guter Praxis, die an einer anderen Hochschule funktioniert haben, auf die eigene Institution 1:1 übertragen lassen. Vielmehr sind stets die besondere Situation einer Hochschule, deren innere Konstellation und ihre Bezüge zu hochschulexternen Institutionen dafür ausschlaggebend, was überhaupt als ‚vorbildhaft‘ wahrgenommen oder als ‚transferwert‘ bewertet wird.

Damit sich ein Veränderungsimpuls, wie die Idee nachhaltiger Entwicklung entfalten kann, muss daher eine Auseinandersetzung damit stattfinden und dessen Bedeutung für die eigene Hochschule geprüft werden. Dabei gilt es, möglichst viele unterschiedliche Personengruppen einzubinden, um gemeinsam getragene Aktivitäten zu verwirklichen. Denn ebenso wenig, wie es z.B. Studierendeninitiativen ohne die Unterstützung der Hochschulleitung gelingen wird, ein Leitbild für die gesamte Hochschule zu entwickeln, wird es zielführend sein, wenn eine Hochschulleitung ein Leitbild für nachhaltige Entwicklung ohne Rücksprache und Beteiligung mit entscheidenden Gremien wie dem Akademischen Senat, Fachbereichsräten etc. ‚verordnet‘. Stattdessen ist es sinnvoll, die Sichtweisen, Interessen, Wünsche, aber auch Befürchtungen und Widerstände derer an-zuhören und einzubeziehen, die noch nicht beteiligt sind. Andernfalls kann es leicht dazu kommen, dass nachhaltige Entwicklung kein Leitbild ist, sondern zu einem „Leidbild“ wird. Diese Erkundungs-, Kommunikations- und Abwägungsprozesse stellen einen wichtigen Bestandteil von Governance dar.

Strukturen für dauerhaftes Engagement

Genauso wichtig für die Governance-Prozesse hochschulischer Nachhaltigkeit sind die Strukturen und Zuständigkeiten, welche die im Prozess aktiv involvierten Hochschulangehörigen darin unterstützen, sich dauerhaft zu engagieren. Die Erfahrungen einer großen Zahl von Hochschulen zeigen, dass diese Strukturen ganz unterschiedlich aussehen können. So können beispielsweise Büros mit ehrenamtlich tätigen Studierenden oder Green Offices mit angestellten Studierenden den Nachhaltigkeitsprozess vorantreiben. Zugleich können vom Präsidium eingesetzte und mit dauerhaft beschäftigtem Personal ausgestattete Stabsstellen für Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielen, indem sie Anlaufstellen bilden und Aktivitäten in einzelnen Handlungsfeldern wie der Lehre, dem Betrieb, der Forschung oder in der ganzen Hochschule anstoßen, bündeln und/oder kommunizieren. Immer häufiger entstehen unterstützende Strukturen wie Stabsstellen oder Nachhaltigkeitsbeauftragte, die Nachhaltigkeitsstrategien erarbeiten, operative Maßnahmen zu ausgewählten Themenfeldern anstoßen, umsetzen oder begleiten können. Alternativ oder zusätzlich gibt es entscheidungstragende oder -vorbereitende Gremien wie Steuerungskreise, runde Tische oder Arbeitsgruppen, die sich um die Themensetzung, Identifikation und Einbeziehung weiterer Akteur*innen kümmern.

„Gut gemeint“ heißt nicht schon „gut gemacht“

Selbst wenn sich hochschulische Nachhaltigkeitsprozesse jeweils sehr eigenständig entwickeln, lassen sich doch übergreifende Charakteristika identifizieren, die eine große Bedeutung für die Entwicklung der Prozesse haben. So sind das Selbstverständnis der Hochschule in Bezug auf ihre Rolle im gesellschaftlichen Umfeld, das Verständnis von Nachhaltigkeit und auch der strukturelle Ansatz, nach dem Nachhaltigkeit realisiert wird, prägend dafür, wie die Verantwortung für den Nachhaltigkeitsprozess in der Hochschule verteilt wird. Ist eine Hochschule durch Kontakte zu zivilgesellschaftlichen Akteuren fest in der Region und darüber hinaus verankert und wird Nachhaltigkeit als eine Aufgabe betrachtet, der es inter- und transdisziplinär zu begegnen gilt, kann es leichter gelingen, umfassende Nachhaltigkeitsprozesse anzustoßen, diese aufrecht zu erhalten und schließlich dauerhaft zu verankern. Nicht zuletzt ist das Commitment der Hochschulleitung entscheidend dafür, wie rasch, wie intensiv und wie umfassend der Nachhltigkeitsprozess vorangetrieben wird. Stehen nämlich Ressourcen bereit, die etwa die Koordination von Aktivitäten erlauben, oder initiiert die Hochschulleitung beispielsweise einen Leitbildprozess, kann sich dies sehr positiv auf das Engagement der Hochschulmitglieder auswirken.

Nicht nur angesichts dieser Herausforderungen werden oft grundsätzliche Handlungsprinzipien einer „guten Governance“ betont, die es auch im Zusammenhang mit den Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung an Hochschulen zu beachten gilt. So werden Governance-Aktivitäten einer Hochschule z.B. daran bemessen, ob die Interessen der verschiedenen Stakeholder berücksichtigt sowie Transparenz und Partizipation ermöglicht werden. Solche Vorstellungen von „Good Governance“ spielen gerade bei Fragen nachhaltiger Entwicklung eine Rolle.

Gute Absichten und die Berücksichtigung dieser Prinzipien allein bieten allerdings keine Gewähr dafür, dass hochschulische Nachhaltigkeitsprozesse tatsächlich erfolgreich sind. Governance muss auch gut „gemacht“ werden. Dabei lassen sich fünf Dimensionen identifizieren, die für einen erfolgreichen Implementierungsprozess innerhalb einer Hochschule entscheidende Bedeutung haben und die hier als „Governance-Regler“ diskutiert werden.

Governance-Regler

Fünf Dimensionen prägen in entscheidender Weise die Erfolgsaussichten hochschulischer Nachhaltigkeit: Politik, Profession, Organisation, Wissen und Öffentlichkeit. Die Analyse ihrer Ausprägungen kann daher eine entscheidende Bedeutung für das Verständnis und den Erfolg hochschulischer Nachhaltigkeitsprozesse liefern.

Darstellung der Governance Regler mit Erläuterung

Diese fünf in der Darstellung links aufgeführten Governance-Regler basieren auf einer theoretischen Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur zur Hochschulgovernance. Sie wurden darüber hinaus mit eigenen empirischen Erkenntnissen angereichert und weiterentwickelt. Zum Verständnis der Dimensionen liefert die Darstellung zu jeder Dimension eine Leitfrage und eine kurze Charakterisierung. Bei Bedarf kann die Darstellung alternativ als pdf-Datei aufgerufen werden.

Die Governance einer Hochschule betrifft alle fünf aufgeworfenen Dimensionen. So sehr diese im Hochschulalltag auch miteinander verwoben sind, so kann eine Betrachtung hochschulischer Nachhaltigkeitsgovernance davon profitieren, diese in ihren jeweilig eigenen Bezügen zu analysieren: So sind beispielsweise das hochschulische Bekenntnis zur Nachhaltigkeit und öffentlichkeitswirksame Maßnahmen (Öffentlichkeit) von entscheidender Bedeutung für die Bestärkung des gesamten Prozesses. Hierdurch allein kommt es jedoch noch nicht zu verbindlichen Entscheidungen (Politik) oder zur Institutionalisierung konkreter Arbeitsformate innerhalb der Gesamtinstitution (Organisation). Entscheidend sind ebenso der interdisziplinäre Austausch (Profession) sowie die Etablierung organisationaler Formen des Wissenstranfers (Wissen). Die Betrachtung der fünf Dimensionen ermöglicht einen erweiterten Blick zur Analyse der eigenen hochschulischen Nachhaltigkeitsgovernance.

HINWEIS: Eine intensive Auseinandersetzung mit den Governance-Reglern in Bezug auf die eigene Hochschule ermöglicht das Selbsteinschätzungstool für hochschulische Nachhaltigkeitsgovernance.


Bücherstapel.png Die theoretischen Grundlagen zu den Governance-Reglern und aus deren Verwendung als Heuristik gewonnene Erkenntnisse sind dem folgenden Artikel zu entnehmen: Bauer, M. / Bormann, I. / Kummer, B. / Niedlich, S. / Rieckmann, M. (2018): Sustainability Governance at Universities: Using a Governance Equalizer as a Research Heuristic. In: Higher Education Policy 4 (3). First Online: 01 November 2018. DOI: 10.1057/s41307-018-0104-x.
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